Fachartikel: Effizienzsteigerung durch Harmonisierung von Stammdaten in der Instandhaltung
In diesem Fachartikel geht es darum, wie die Harmonisierung von Stammdaten eine entscheidende Rolle bei der Umstellung auf SAP S/4HANA spielt. Saubere und konsistente Stammdaten erleichtern die Datenmigration, erweitern die Funktionalität, vereinfachen die Datenpflege und schaffen eine zukunftssichere Grundlage für das System.
Autor: Laila Simon, Consultant Manager bei der Orianda Solutions AG - a valantic company
Die Harmonisierung von Stammdaten spielt eine entscheidende Rolle bei der reibungslosen Umstellung auf SAP S/4HANA. Saubere und konsistente Stammdaten erleichtern die Datenmigration, ermöglichen die Nutzung erweiterter Funktionen, vereinfachen die Datenpflege und schaffen eine zukunftssichere Grundlage für das System. In diesem Fachartikel sprechen wir über die Bedeutung der Harmonisierung von Stammdaten in der Instandhaltung, zeigen bewährte Praktiken auf und thematisieren die häufigsten Fehler im Zusammenhang mit Stammdatenharmonisierung. Abschliessend gehen wir auf die wichtigsten SAP Tools ein, mit denen die Stammdatenpflege in der Instandhaltung unterstützt werden kann und geben einen Ausblick, welche Rolle harmonisierte Stammdaten zukünftig in der Instandhaltung spielen werden.
Konsistente Stammdaten als Grundlage für eine effektive Instandhaltung
Konsistente Stammdaten bilden die Grundlage für eine effektive Instandhaltung: Sie liefern genaue Informationen unter anderem über Assets, Arbeits- und Wartungspläne, Ersatzteile und Stücklisten und über die relevanten Prozesse. Bei der Harmonisierung werden Stammdaten in einem Unternehmen oder einer Organisation vereinheitlicht und standardisiert. Dies umfasst die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellen, die Bereinigung von Inkonsistenzen und Redundanzen, die Festlegung einheitlicher Datenstandards sowie die Integration und Synchronisierung der Daten in einem zentralen Datenbestand. Insbesondere beim Zusammenführen mehrerer Standorte oder Konzerne spielt die Stammdatenharmonisierung eine wichtige Rolle.
Einsparung von Zeit, Ressourcen und Kosten: Welcher konkrete Nutzen steckt hinter der Harmonisierung von Stammdaten?
Das Thema Stammdatenqualität wird in vielen Unternehmen häufig nicht ausreichend priorisiert, da es auf den ersten Blick die Produktivität nicht direkt erhöht und zunächst initialen Aufwand erfordert. Insbesondere im Ersatzteilmanagement kann die Harmonisierung von Stammdaten jedoch Zeit, Ressourcen und Kosten einsparen. Dies lässt sich an konkreten Beispielen aufzeigen:
Wenn Unternehmen ihre Produktionsanlagen selbst entwickeln, kann es vorkommen, dass die Materialnummern in der Entwicklung doppelt angelegt werden. So haben manche Unternehmen für dasselbe Material zwei oder mehr verschiedene Datensätze angelegt. Auch wenn mehrere Unternehmen sich zusammenschliessen, kann es zu doppelten Materialnummern für dasselbe Material kommen. Welche Konsequenzen hat es aber, wenn Dubletten im System angelegt sind? Jede Materialnummer beansprucht einen Lagerplatz – damit werden unnötig Ressourcen im Lager weggenommen.
Zudem wird der gesamte Einkaufsprozess für jedes Material einzeln abgewickelt – und das System und der Anwender merken nicht, dass es sich um dasselbe Material handelt. Auf den Instandhaltungsprozess haben einheitliche Materialstammdaten unter Umständen enorme Auswirkungen: Wenn für eine Reparatur ein bestimmtes Material benötigt wird, kann es bei Bedarf aus anderen Standorten oder Konzernbereichen beschafft werden. Dies funktioniert aber nur, sofern die Materialien dank konsistenter Stammdaten auffindbar sind. So können teure Stillstandszeiten vermieden werden.
Nicht nur beim Thema Ersatzteilmanagement und Materialstämme spielen Stammdaten eine entscheidende Rolle: Eine einheitliche Anlagenstruktur sorgt dafür, dass Mitarbeitende von verschiedenen Standorten oder aus verschiedenen Bereichen sich beim Wechsel an einen anderen Standort oder in einen anderen Bereich sofort zurechtfinden. Auch wenn Arbeits- und Wartungspläne konzern- und standortübergreifend einheitlich aufgebaut sind, können Ressourcen flexibel eingesetzt werden, Mitarbeitende finden sich überall zurecht und Unternehmen können dadurch sogar einem Fachkräftemangel ein Stück weit entgegenwirken. Kundeneigene Entwicklungen können bei harmonisierten Stammdatenkonzepten häufig einfacher und kostengünstiger umgesetzt und von verschiedenen Bereichen genutzt werden.
Die Basis für eine erfolgreiche Harmonisierung: Was muss beachtet werden bei der Harmonisierung von Stammdaten?
Die Basis für eine erfolgreiche Harmonisierung ist die Bereinigung von Inkonsistenzen, Dubletten und veralteten Informationen. Dieser initiale Aufwand kann auch eine Chance sein, die Sinnhaftigkeit mancher Stammdaten zu hinterfragen und neue Standards einzuführen. Einheitliche Standards für Bezeichnungen, Klassifizierung und Codes ermöglichen eine konsistente Erfassung und Verwendung von Stammdaten. Und noch viel mehr: Massenhafte Änderungen und automatisierte Datenerfassungs- und Aktualisierungsprozesse reduzieren manuelle Fehler und erhöhen die Effizienz.
Neben der initialen Bereinigung im System sollte dabei eine weitere wichtige Komponente nicht übersehen werden: die Mitarbeitenden, die im Arbeitsalltag mit den Daten arbeiten. Sowohl die Schulung als auch die Information von beteiligten Personen sind entscheidend für eine erfolgreiche und langfristige Umsetzung. Denn wer die Vorteile einer konsistenten Stammdatenharmonisierung verstanden hat, wird auch zukünftig die Prozesse konsequent umsetzen. Wichtig ist dabei auch, das richtige Mass zu finden: Wenn die Mitarbeitenden den Mehrwert der Daten nicht sehen oder sogar kein Mehrwert vorhanden ist, werden sie diese auch nicht pflegen. Ersatzteile sollten beispielsweise nur klassifiziert werden, wenn dies auch einen Nutzen im Prozess darstellt. Idealerweise ergibt sich durch die Einführung der Klassifizierung auch eine sinnvolle Prozesserleichterung.
Damit die Qualität und Konsistenz der Stammdaten langfristig sichergestellt sind, müssen diese ausserdem regelmässig überwacht, gepflegt und aktualisiert werden. Manche Unternehmen beschäftigen hierfür sogar einen Master Data Manager. Für kleinere Unternehmen kann es ausreichend sein, den Mitarbeitenden die Zeit zur Stammdatenpflege zur Verfügung zu stellen. Die Prozesse für die Stammdatenpflege und -änderung müssen hierfür klar definiert sein, genauso wie der Einsatz von Tools, Freigabestrategien und Berechtigungen. Auch hier gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Denn es gibt auch ein «Zu viel» beim Thema Stammdatenharmonisierung: Manchmal braucht es für verschiedene Unternehmensbereiche unterschiedliche Standards, beispielsweise im Strukturkennzeichen. Standards sind generell gut, aber können in manchen Fällen auch kontraproduktiv sein: So können Standorte in unterschiedlichen Ländern auch eine unterschiedliche Stammdaten-Tiefe benötigen. Oder ein sehr grosser Standort hat andere Bedürfnisse als ein sehr kleiner Standort. Anstatt «Over-Engineering» zu betreiben, sollte der Fokus auf dem Wesentlichen liegen. So sorgen Unternehmen für mehr Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. Es kann besser sein, nur halb so viel zu standardisieren – im Gegenzug werden die Prozesse anschliessend gelebt.
Anhand von vorhandenen Normen und Standards können schliesslich sinnvolle Prozesse abgeleitet werden. Standards können beispielsweise eCl@ss für Material und Ersatzteile sein, OmniClass für die Klassifizierung von Assets, die Norm ISO14224 (Erdöl-, petrochemische und Erdgasindustrie - Sammlung und Austausch von Zuverlässigkeits- und Wartungsdaten für Ausrüstungen) oder für Bahnstrukturen die Norm ISO15380.
Tools und Produkte zur Harmonisierung und Pflege von Stammdaten: Wie kann die Harmonisierung von Stammdaten technisch umgesetzt werden?
Wenn sinnvolle Standards und Konzepte definiert wurden, folgt die Überlegung, welche Tools zur Unterstützung zur Verfügung stehen und sinnvoll eingesetzt werden können. Folgende Tools und Produkte eignen sich je nach Ziel zur Harmonisierung und Pflege von Stammdaten:
SAP Core Funktionalitäten
Viele Unternehmen arbeiten mit den vorhandenen Funktionen im SAP Core und bei einer guten Konzeption kann das vollkommen ausreichend sein. So kann beispielsweise die Asset-Struktur über die Strukturkennzeichen in SAP abgebildet werden. Weitere Möglichkeiten im SAP Core bieten Workflows und der Status. Auch die Einführung einer ausgeklügelten Naming Convention kann Teil der Stammdatenharmonisierung sein. So können in der Bezeichnung des Materialstamms einer Schraube bereits Durchmesser, Länge, Material und Kopf stecken.
SAP Master Data Governance (MDG)
Mit SAP MDG werden alle Stammdaten zentral und nach verbindlichen Konventionen in der Central Governance gespeichert, dort verwaltet und angrenzenden Systemen zu Verfügung gestellt. Für Stammdatenobjekte aus den Bereichen Finanzen, Material, Lieferant und Kunden sind vordefinierte Standarddatenmodelle, Standardbenutzungsoberflächen und Standard-Workflow-Definitionen enthalten, die sich an die individuellen Anforderungen anpassen lassen. Möglich ist auch, kundenindividuelle Objekte anzulegen. Allerdings: SAP Master Data Governance ist nicht explizit für den Einsatz im Asset Management bzw. in der Instandhaltung ausgeprägt. Diese Lücke schliesst die Erweiterung SAP Master Data Governance for EAM von Utopia.
SAP Master Data Governance for Enterprise Asset Management (MDG for EAM (Add-On))
SAP Master Data Governance for Enterprise Asset Management von Utopia ist eine Erweiterung für SAP MDG, die auf die speziellen Anforderungen des Asset Managements ausgerichtet ist. Heisst konkret: Standarddatenmodelle, Standardbenutzungsoberflächen und Standard-Workflow-Definitionen sind exakt für den EAM-Bedarf ausgeprägt. Für das Management der Stammdaten der EAM-spezifischen Objekte stellt die Lösung analog zu SAP MDG unter anderem diese Funktionen bereit:
• Standardisierung von Stammdaten
• Validierung der Stammdaten anhand von Geschäftsregeln
• Ergänzung vorhandener Stammdaten
• Freigabe von Stammdaten
• Pflege von Stammdaten
Master Data Cockpit (MDC) von valantic
Das SAP Add-on MDC Master Data Cockpit von valantic unterstützt die Prüfung von Datensätzen auf Vollständigkeit und die Freigabe von Stammsätzen zum Abschluss eines SAP Workflows. Die jeweiligen Mitarbeitenden werden darüber automatisiert per E-Mail aus dem SAP-Workflow heraus benachrichtigt. Da der Ablauf transparent angelegt ist, behalten Mitarbeitende jederzeit den Überblick über alle neuen Schritte. Das MDC Master Data Cockpit ist vollständig in SAP integrierbar und lässt sich individuell anpassen.
Arbeitsplan Manager von Orianda
Der Arbeitsplanmanager verwaltet die Vorgaben der Instandhaltung in Form von sogenannten Instandhaltungsbausteinen und generiert auf deren Basis die Instandhaltungsarbeitspläne (IHB). Über das Aktualisierungsmanagement werden Änderungen an den Vorgaben in alle Arbeitspläne automatisiert übertragen. Ein IHB beschreibt die durchzuführenden Arbeiten, die auszuführende Fakultät (Benutzergruppen/Ressource – Mechaniker/Elektriker, …) sowie die benötigten Komponenten und Fertigungshilfsmittel. Das Aktualisierungsmanagement stellt sicher, dass alle Änderungen zu einer Änderungsnummer zugeordnet werden, was zur gezielten Steuerung von Änderungen zu einem Gültigkeitsdatum führt. Ebenfalls wird durch Berechtigungen sichergestellt, dass jeder Fachbereich genau die definierten Arbeiten im Arbeitsplanmanager durchführen kann.
Wartungsplan Manager von Orianda
Viele Unternehmen arbeiten mit einer grossen Menge an Wartungsplänen, da die Menge an Einzelobjekten und Instandhaltungsanleitungen mit dazugehörigen Fristen sehr hoch ist. Mithilfe des Wartungsplan Managers können Wartungspläne massenhaft angelegt und gepflegt werden, um eine zuverlässige Verarbeitung von Massendaten bei der stetig wachsenden Anzahl von Einzelobjekten sowie deren Anleitungen zu garantieren. Damit können Wartungsfristen eingehalten werden und trotz einer grossen Anzahl von Objekten in SAP entsteht nur ein geringer Arbeitsaufwand.
Ein Ausblick: Welche Vorteile bringen harmonisierte Stammdaten in der Zukunft?
Die kontinuierliche und konsistente Pflege von Stammdaten erfordert eine Kombination aus klaren Prozessen, Schulungen, Disziplin und technologischer Unterstützung. Vor allem aber erfordert sie initial einen hohen konzeptionellen Aufwand, der sich im Anschluss auszahlt. Und sie bietet die Chance, vorhandene Stammdaten und Prozesse zu hinterfragen und zu optimieren. Der Fokus sollte auf dem Motto liegen: «So viel wie nötig, so wenig wie möglich». Erst wenn die Vorarbeit geleistet ist und Prozesse, Konzepte und Standards klar definiert sind, folgt die Überlegung, welche Tools dabei unterstützen können. Und dann können ausgehend von einem systematischen Stammdatenmanagement neue Formen der Zusammenarbeit etabliert werden. Wenn Anwenderunternehmen, Herstellerunternehmen und Service Provider Daten miteinander austauschen, können neue Use Cases verwirklicht werden: Künstliche Intelligenz (KI) kann für innovative Strategien wie zum Beispiel Predictive Maintenance verwendet werden. Saubere Stammdaten sind dafür der unverzichtbare Ausgangspunkt.
Darum empfiehlt es sich, bereits vor einer S/4HANA-Transformation die Stammdaten zu analysieren und zu bereinigen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Greenfield- oder Brownfield-Ansatz gewählt wird und insbesondere im Hinblick auf die Zukunft des Asset Managements.